Sachverhalt:

Es geht um eine Streitigkeit innerhalb einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Anlage besteht aus zwei zwischen 1911 und 1912 im Jugendstil errichteten Wohnhäusern und steht unter Denkmalschutz. Das Vorderhaus erhielt im Jahr 1983 den Fassadenpreis der Stadt München. Bei dem Hinterhaus handelt es sich um das ehemalige „Gesindehaus“. Die Fassade und das enge Treppenhaus sind im Vergleich zum Vorderhaus eher schlicht gehalten. Die Wohnungseigentümer der Wohneinheiten im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses hatten in einer Eigentümerversammlung im Jahre 2021 beantragt, ihnen auf eigene Kosten die Errichtung eines Außenaufzugs am Treppenhaus des Hinterhauses als Zugang für Menschen mit Behinderung zu gestatten. Die Wohnungseigentümer der beiden Wohneinheiten sind selbst nicht körperlich behindert. Der Antrag wurde auf der Eigentümerversammlung abgelehnt.

Die Eigentümer der beiden Wohneinheiten haben eine Beschlussersetzungsklage erhoben.

Entscheidung:

Der BGH gibt den Klägern Recht.

Die von den Klägern erstrebte Errichtung eines Personenaufzugs stellt eine angemessene bauliche Veränderung dar, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG). Die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn mit der Maßnahme Nachteile verbunden sind, die über die Folgen hinausgehen, die typischerweise mit der Durchführung einer privilegierten baulichen Veränderung einhergehen. Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen der Anlage etwa aufgrund von Anbauten können die Unangemessenheit daher regelmäßig nicht begründen.

Die Kosten der baulichen Veränderung sind für das Bestehen eines Anspruchs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG grundsätzlich ohne Bedeutung, da sie gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG von dem verlangenden Wohnungseigentümer zu tragen sind.

Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 1 WEG, die dem Anspruch entgegenstehen könnte, ist mit der Errichtung eines Aufzugs nicht verbunden. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass nicht jede bauliche Veränderung, die nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG aF die Eigenart der Wohnanlage änderte, auch im Sinne des neuen § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 1 WEG zu einer grundlegenden Umgestaltung führt.

Es lässt sich auch keine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbs. 1 Alt. 2 WEG feststellen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Verschattungen- und Lärmbeeinträchtigungen etwa durch den konkreten Standort der Aufzugsanlage, durch die Größe sowie die bauliche Gestaltung des Aufzugs einschließlich der verwendeten Materialien bis zu einem gewissen Grad noch bei der Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 WEG) steuerbar sind.

Autor: Arne Carstens, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Immobilienkaufmann (IHK)